12 STUNDEN DOWN-COUNTRY

Wie alle guten Abenteuer, begann auch dieses mit einer ganz einfachen Idee: Die Rennkalender fast leer, brauchten wir endlich einmal wieder eine adäquate Herausforderung für unser neues NINETY-SIX – die leichtgewichtige Cross-Country-Waffe – und unsere eingerosteten Beine. Unser internationaler PR-Manager Michael Wilkens beschloss, das klassische 12-Stunden-Endurance-Rennformat ein oder zwei Stufen höher zu schrauben – die lokalen, knackigen Enduro-Trails boten das perfekte Terrain dafür.

Ein einfacher Gedanke: Trotz der Lockerung der Pandemie-Beschränkungen in Großbritannien, war es fast 18 Monate her, dass „normale“ Veranstaltungen stattfinden konnten − warum darauf warten, wenn man selbst aktiv werden kann? Die Tatsache, dass es das NINETY-SIX in zwei Versionen gibt – eine trailorientierte mit mehr Federweg sowie ein rennorientiertes RC-Modell – bestärkte ihn in seinem Vorhaben: 12 Stunden Down-Country-Riding, bei dem die technische Herausforderung der Trails genauso groß sein würde wie die körperliche. Einfach Mountainbiken, von morgens bis abends.

 

Michael ist kein Unbekannter, wenn es um Lauf-Events oder Radrennen geht. Er hat bereits eine Reihe von Ausfahrten und Rennen organisiert. Dieses Event würde jedoch kaum jemand der Öffentlichkeit zumuten. Steiles, technisches Gelände und extreme Müdigkeit sind meist keine gute Mischung. Stattdessen holte er mit Social Media Junior Manager Jon Woodhouse und dem Journalisten Tom Marvin von BikeRadar Freunde und Kollegen mit ins Boot.

Die Wahl des richtigen Bikes gestaltete sich recht einfach: Michael und Tom entschieden sich für das NINETY-SIX 8000, das serienmäßig mit einer 120-mm-Federgabel, einer leistungsstarken Vier-Kolben-Bremse und breiten Maxxis Minion-Reifen für härtere Trails ausgestattet ist. Jon entschied sich für das NINETY-SIX RC XT: Trotz der 100 mm Federweg und einer rennorientierten Ausrichtung wäre es mit moderner, leistungsfähiger Geometrie und stabilem P-FLEX-Fahrwerk der Aufgabe mehr als gewachsen.

Natürlich würde die Herausforderung auch darin bestehen, die Bikes ein wenig aus ihrer „Komfortzone“ herauszuholen. Daher stimmte jeder Fahrer sein Bike auf die persönlichen Bedürfnisse ab: Michael und Jon entschieden sich für einen breiten Lenker mit mehr Rise, um eine aufrechtere Fahrposition, mehr Komfort und einen besseren Hebel auf den bevorstehenden, naturbelassenen Enduro-Trails zu erzielen. Während das 8000er serienmäßig bereits mit aggressiven Reifen ausgestattet ist, entschied sich Jon für einen noch aggressiveren Vorderreifen auf dem RC XT. Der schnell rollende Hinterreifen durfte bleiben. Einziger Zusatz: Ein Durchschlagschutz, um die Wahrscheinlichkeit einer Reifenpanne zu verringern. Sowohl Michael als auch Jon wechselten auf ein kleineres Kettenblatt, um einen leichteren Gang zur Verfügung zu haben. Tom dagegen war zuversichtlich, dass er das serienmäßig verbaute Kettenblatt mit 34 Zähnen den ganzen Tag lang fahren könne. Jons Powermeter-Kurbel ermöglichte ihm, die getretene Leistung und sein Tempo entsprechend zu kontrollieren.

 

Der Plan: Als Selbstversorger auf den Trails unterwegs sein, mit lediglich einer Versorgungsstation zum „Auftanken“. Die Möglichkeit, das NINETY-SIX mit zwei großen Wasserflaschen auszustatten, erwies sich als sehr nützlich, um möglichst viele Kilometer ohne Unterbrechung zurückzulegen. Da das Gelände in einer üppigen und abwechslungsreichen Naturlandschaft liegt, wäre die Routenwahl nicht auf einen bestimmten Rundkurs beschränkt. Dadurch wäre es den Teilnehmern möglich, jeden Trail beliebig oft zu fahren sowie die Route dem Wetter oder „nach Gusto“ anzupassen – jederzeit mit der Möglichkeit, die Fahrt durch ein kühles Eis oder ein wärmendes Getränk zu unterbrechen.

Mit diesem groben Plan im Hinterkopf musste nur noch ein Termin gefunden werden. Nachdem die Unwägbarkeiten des britischen Wetters so gut wie möglich bedacht waren, machte sich unser Trio an einem leicht bewölkten Morgen auf den Weg. Obwohl es sich eigentlich um keinen Wettkampf handelte, kamen doch die vertrauten Gefühle eines Renntages auf: Der Respekt vor der bevorstehenden Herausforderung, der durch die Aufregung über eine Fahrt ins Unbekannte in Zaum gehalten wurde. Wie bei jedem Endurance-Event waren Tempo und Verpflegung ausschlaggebend. Jeder Fahrer wählte anhand der eigenen Stärken und Schwächen eine passende Strategie: Schweinefleischpastete, Energy-Gel, Süßigkeiten oder Obst als Kraftstoff, Herzfrequenzmesser, Leistungsmesser oder Intuition und Erfahrung, um das optimale Tempo zu finden.

Bei dieser Herausforderung gab es jedoch keine Zeit zum Ausruhen – nicht einmal, nachdem die ersten Steigungen geschafft waren. Schon früh am Morgen wurde das Trio unsanft an die technische Herausforderung erinnert: Auf den Anstieg mit spektakulärer Aussicht aus der Talsohle hinauf folgte rasch ein anspruchsvoller, steiler Pfad. Der erste Sturz des Tages ließ nicht lange auf sich warten. Auch bei größter Vorsicht würde es nicht der letzte sein, so viel war sicher.

Trotz des brutalen Einstiegs spielte Vorsicht bald keine Rolle mehr. Die endlosen Trails aus wurzelübersätem Lehm luden dazu ein, noch härter zu pushen – schwer da zu widerstehen. Rutschen, Fluchen und Freudenschreie wechselten sich in gewisser Regelmäßigkeit ab, als unser Trio ihre Bikes über Trails manövrierte, bei denen Mountainbikes mit mehr Federweg zu kämpfen hätten. Mit dem verbliebenen Adrenalin im Blut, ging es dann an die Wiederholungen. Dank der äußerst effizienten Bikes machte das Trio schnell Meter und bewältigten Steigungen ohne Mühe.

Mit zunehmenden Höhenmetern und Distanz, machte dann das britische Wetter einen Strich durch die Rechnung: Sintflutartige Regenfälle durchnässten Fahrer und Trails. Hätten die Wetterkapriolen bei einer regulären Veranstaltung für Verzögerungen gesorgt, konnten wir uns durch das freie Format in den Schutz der Wälder zurückziehen und die exponiertere Heidelandschaft hinter uns lassen.

So schnell, wie er gekommen war, verflüchtigte sich der Regen auch wieder. Gerade rechtzeitig für den ersten Verpflegungsstopp des Tages. Mit aufgeladenen Energiespeichern, aufgefüllten Wasserflaschen und einem aufgefrischten Vorrat an Snacks stürzten sie sich wieder ins Getümmel. Dass erst die Hälfte der Strecke geschafft war, dämpfte den Enthusiasmus einer wohltuenden Pause mit viel Essen und Koffein nur leicht.

Mit wieder erstarkten „Mittagsbeinen“ stellten die nun warmen, aber sehr feuchten Bedingungen eine neue Herausforderung dar. Die Angst vor Dehydrierung und der daraus resultierenden – möglicherweise sogar zum Abbruch führenden – Krämpfe war geweckt. Wasserflaschen und Trinkblasen wurden geleert, um diesem Schreckgespenst zu entgehen. Ströme aus Schweiß ergossen sich über Gesichter auf Oberrohre. Die allmählich abtrocknenden Trails hielten die Spannung dennoch hoch.

Ein Kreislauf aus Anstiegen, Abfahrten und Verpflegung. Mit gleichmäßigem, sicherem Tempo verflogen die Stunden und Kilometer. Den Übermut beim gelegentlichen Führungswechsel an der Spitze des Trios in Zaum zu halten gestaltete sich schwierig:  Sprünge über Wurzeln und Kicker waren das Ergebnis. Mit zunehmender Müdigkeit nahm die Häufigkeit der leicht wilden, etwas unkontrollierten Momente zu. Die technischen Anforderungen der Trails forderten ihren Tribut. Niemand kam ungeschoren davon. Alle riskierten gelegentlich ein wenig zu viel und kamen auch mal von der Strecke ab. Manchmal war auch das „unfreiwillige Absteigen“ vom Bike nicht zu vermeiden.   

Als die Sonne sich langsam am Abendhimmel verabschiedete, wurden ein letztes Mal die Speicher für den finalen Krafttakt aufgefüllt. Nudeln und das noch verbliebene Proviant wurden verschlungen. Die Gesichter voller Dreck und Schmutz, die Blicke zunehmend abwesender. Trotz immer noch guter Stimmung, wurde das Geplapper und Geplänkel merklich weniger.

Ein brutaler, steiler Anstieg bis zum Beginn der letzten Abfahrt. Die müden Beine wurden mit dem Wissen weitergetrieben, dass es die letzte große Anstrengung sein und ein Blick über die Berge und das Meer für die Mühe entlohnen würde. Jedem Anstieg folgt eine Abfahrt. Und die letzte Abfahrt begeistert: Im schwindenden Tageslicht mündet der Single-Trail in einer weitläufigen Moorlandschaft schließlich in eine rasante Fahrt durch einen Tunnel aus Bäumen. Die Müdigkeit ist vergessen und die Geschwindigkeit steigt. Währenddessen spielen sich regelrechte Duelle an der Spitze ab: Jeder versuchte über raffinierte Linienwahl oder gekonntes Bremsen in den Serpentinen die Führung zu übernehmen. Rein aus Spaß an der Freude.

 

Was für ein glücklicher Zufall – und ein bisschen Vorausplanung, – dass diese Abfahrt direkt an einem Pub an der Küste endete. Obwohl die Küche bereits geschlossen hatte, erbarmte sich der Koch und zauberte dem erschöpften, aber munteren Trio reichlich Essen herbei. In wenigen Augenblicken war alles verputzt und mit einem wohlverdienten, kalten Bier heruntergespült, während die Sonne sich langsam am Horizont verabschiedete.

Ein gelungener Abschluss eines langen Tages. Die Euphorie, alles erfolgreich überstanden zu haben, lässt schnell die Anstrengungen und Herausforderungen vergessen. Ein wohliges Gefühl bleibt, auch ohne Startnummer oder Medaille. Das letzte Getränk ist noch nicht geleert, da steht auch schon die Idee einer nächsten Herausforderung im Raum. Eine gute Zeit, feine Trails ­– und natürlich gute Bikes – sind Anlass genug dafür.

 

WAS WIR GELERNT HABEN

Nach unserem Abenteuer hast du selbst Lust bekommen, dich einer solchen Herausforderung zu stellen? Wir wollen dir die wichtigsten Punkte kurz zusammenfassen, die wir für uns mitgenommen haben.

  • Unsere NINETY-SIX Bikes, ob in „regulärer“ oder „Down-Country-Ausführung“, waren der Aufgabe mehr als gewachsen. Dank unserer zuverlässigen Begleiter, die uns Anstiege leicht erscheinen ließen und uns auf den Abfahrten das nötige Selbstvertrauen gaben, konnten wir uns ganz aufs Fahren konzentrieren.
     
  • Ausreichende Verpflegungspausen waren von entscheidender Bedeutung. Es erfordert Anstrengung und Disziplin, die Intensität auf einer langen Strecke wie dieser aufrechtzuerhalten. Wenn man sich zwingt, auch dann zu essen und zu trinken, wenn man keinen Hunger oder Durst verspürt, vermeidet man Energiedefizite oder Krämpfe, die eine Fahrt mehr als unangenehm werden lassen oder sogar beenden können.
     
  • Die Feinabstimmung unserer Bikes auf die bevorstehenden Anforderungen war von entscheidender Bedeutung. Anpassungen an der Schaltung erleichterten das Leben am Ende eines derart langen Tages. Das Reifensetup am XT RC war außerdem äußerst nützlich beim Wetterumschwung von trocken auf sehr feucht. Berücksichtige die Art des Geländes in dem du unterwegs sein willst und passe dein Setup entsprechend an. Da wir keinen fixen Plan oder eine feste Route im Kopf hatten, konnten wir uns leicht den äußeren Umständen anpassen, z. B. bei Regen von exponierten Stellen in geschütztere Bereiche wechseln. Diese Flexibilität machte unser Abenteuer wesentlich angenehmer. Zwar verpassten wir dadurch ein paar Abschnitte, die nächste Herausforderung kommt aber bestimmt!
     
  • Auch wenn organisierte Rennen wieder möglich sein werden und wir diese natürlich sehnlichst erwarten, ist es doch eines der schönsten Erlebnisse mit Freunden in den Bergen unterwegs zu sein. Die zurückliegenden Lockdowns haben uns gelehrt, dass der soziale Aspekt des Radfahrens genauso wichtig ist wie das Radfahren selbst. Es wird Zeit, sich mit seinen Freunden zusammenzutun und eine eigene Herausforderung anzugehen – egal wie groß, es lohnt sich!

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